Mit Ruhe, Beobachtung und Nähe zur Selbstveränderung – Teil 1/3

Inhaltsverzeichnis

Wie man kompetente Kinder bei Selbstveränderung begleiten kann

Wenn man seine Kinder beobachtet, erhascht man hin und wieder Momente, in denen sie tiefen Zugang zu ihrem inneren moralischen Kompass erhalten und ihr eigenes Verhalten reflektieren – und unter Umständen nachhaltig verändern möchten.

In diesem und zwei folgenden Blogposts beschreibe ich an einem Beispiel, wie man sie mit Einfühlungsvermögen und Beobachtung gut auf diesem Weg begleiten kann.

DISCLAIMER: Heute Mal gelungen!

Die folgende Situation hat sich so zugetragen, wie ich sie beschreibe. Damit ist sie eine (gelungene) Ausnahme, so gut klappt das bei uns gefühlt in einem von fünf Fällen. Oft verfallen alle Beteiligten irgendwann – je nach Gemütsverfassung und Zeitstress – in einen eher genervten Ton und zeigen sich nicht unbedingt von ihrer einfühlsamsten Seite… Ganz normales Familienleben halt…

Situationsbeschreibung – In der Garderobe der Kita

Neulich starteten wir in einen durchschnittlich bis entspannten Montagmorgen mit der Aufsteh-/Frischmach-/Frühstücks-Routine einer vierköpfigen Familie. Ich mache mich mit Motte auf zur Kita, wir befinden uns kurz darauf alleine in der Garderobe. Wir sind – wortwörtlich – auf Augenhöhe. Ich in der Hocke, sie sitzt auf einem Bänkchen an der Wand. Sie fokussiert mein Gesicht, plötzlich weiten sich ihre Pupillen bis kaum noch Iris zu erkennen ist – zum Schwarz der Erkenntnis. Ihre Bewegungen werden ruhig, sie spricht mit leiser, klarer Stimme.

»Und ich mache auch manchmal Quatsch.«

»Weißt Du Papa, manchmal, wenn Frau Dachs* da ist, dann benimmt sich Generika* nicht gut. Dann macht sie ganz viel Blödsinn.« Den Bruchteil einer Sekunde lang flackert ihr Blick zur Seite. »Und ich mache auch manchmal Quatsch.« »Aha, was denn zum Beispiel?« »Dann verstecken wir uns im Wald in unserer Kita und reißen da Blätter ab, was wir nicht dürfen. Blätter, die wir nicht abreißen sollen.« Kurze Pause. »Und manchmal reißen wir auch die Haare von anderen Kindern. Oder so piksen«, sie pikst mich mit steifem Finger unters Schlüsselbein, »oder da«, sie pikst mir mit beiden Fingern unangenehm im Gesicht herum, »oder so klatschen«, sie deutet erst bei ihrem Gesicht, dann bei meinem, einhändige und beidhändige Backpfeifen an. Ich frage: »Und was hältst du davon?« »Ich finde das nicht so gut. Ich mag das nicht.« »Und was kannst Du machen, wenn du damit nicht einverstanden bist?« »Ich kann sagen:«, sie baut sich vor mir auf, mit ausgestrecktem Arm und zur Abwehr abgewinkelter Handfläche. Die Geste und den Blick richtet sie leicht an mir vorbei, auf eine imaginäre Situation bezogen. Sie sagt mit fester Stimme: »STOP, hör auf damit, ich kenn dich nicht!«, kurze Entspannung. »Wenn ich das nicht mag, kann ich das so sagen. Dann kann ich STOP sagen.« Sie überlegt. »Oder ich kann mich verstecken.« »Und was findest Du besser?« »Ich sage lieber STOP.« »Und wie fühlt sich das an? Ist das eine gute Lösung für dich?« »Ja, Papa, das fühlt sich gut an!«. Sie nickt, beugt sich vor, gibt mir einen Kuss und schlingt ihre kleinen Ärmchen um meinen Hals, um sich an mich zu drücken. An dieser Stelle bemerkt sie aus dem Augenwinkel, dass sich ein weiteres Eltern-Kind-Paar der Garderobe nähert. Sie beendet unsere Situation, indem sie einen Witz darüber macht, dass sie sich zum Verstecken auch in ein Loch eingraben könnte, das aber doch nicht gehe, weil man im Wald in der Kita auch nicht so tiefe Löcher graben dürfe. Dann nimmt sie meine Hand. »Komm, Papa, wir gehen in die Gruppe!«

Ausblick

Motte hat in dieser Situation ein für sie wichtiges, moralisches Thema durchdacht. Ein Thema, das eine Menge komplexer Bereiche in ihrer Lebenswelt berührt. Wie verhalte ich mich gegenüber anderen Kindern? Wie gehe ich mit begangenen Fehlern, mit Konflikten um? Was sind meine Konfliktlösungsstrategien? Mit wem spreche ich überhaupt über diese Frage? Von wem kann ich Unterstützung erwarten?
Was ich in dieser Gesprächssituation noch beobachtet habe und warum ich mich verhalten habe, wie oben beschrieben, das erfahrt ihr nächsten Freitag!

*Namen von der Redaktion anonymisiert.

EDIT: Hier nochmal alle Links: Teil 1, Teil 2 und Teil 3.

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[…] letzten Post habe ich beschrieben, wie unsere Motte ein von einer guten Beziehung getragenes und für sie […]

[…] Nachlesen findet Ihr die Links zu Teil eins, der beobachteten Veränderungssituation, hier und zu Teil zwei, der etwas ausführlicheren Beschreibung der Verhaltensweisen von Elt und Kind, […]