Manchmal liege ich nachts wach, kann nicht schlafen und reflektiere dann über meinen Alltag. Kennste, kennste, kennste, oder? Ausgestattet mit einem starken inneren Kritiker fällt es mir dann leicht, mich auf meine Fehler und Unzulänglichkeiten zu besinnen – herrlich – da ist es bei ausreichend Schlafmangel nicht mehr weit bis zum gepflegten Selbstmitleid. Aber soweit wollen wir es heute nicht kommen lassen, insbesondere nicht beim Thema »Leben mit Kindern«. Denn: Es ist wichtig, sich auch auf seine Stärken besinnen zu können, das zu sehen, was gut läuft. Das Wissen um diese Stärken gibt die Sicherheit, gerade in den Situationen, die schwierig sind, souverän und achtsam zu handeln. Und sie dann so zu lenken oder zu verändern, dass man gut damit leben kann. Frei nach dem Motto: »Ich stecke gerade in einer herausfordernden Situation, das fällt mir nicht leicht. Aber ich habe die Möglichkeit, damit umzugehen und am Ende mit dem Ergebnis einverstanden zu sein!«. Davon möchte ich Euch hier schreiben.
Inhaltsverzeichnis
Drei Dinge, die ich als Vater schlecht mache – und gerne verbessern möchte
1. Ich meckere zu viel
(Das ist tatsächlich der initiale Funke, der mich zu diesem Text inspirierte.) Manchmal wundere ich mich über den Ton, den unsere große Tochter uns gegenüber anschlägt. Ich frage mich dann: »Wo hat sie das wohl wieder her, welch unwirsch Formulierung?!« Doch halt, ich muss mir nur an meine eigene Nase fassen. Ich bin z.B. super empfindlich, was Dreck von Draußen (allein schon diese Bewertung! Ich scheine hier der Stubenhocker zu sein…) im Teppich oder Marmeladenfingerabdrücke im Sofa angeht. Achja, und dann kommt er wieder, der heißgeliebte Satz: »Ich habe dir doch schon hundertmal gesagt, du sollst foo, bevor du bar!!!!1111elf« Uargs, wie unsympathisch. Gefällt mir nicht, möchte ich gerne ändern.
Wie kommt es dazu?
Wie kommt es zu so einer Situation? Um im Beispiel zu bleiben: Wenn ich ein Kind mit Schuhen durchs Wohnzimmer stapfen sehe, sehe ich mich gleich schon wieder tollwütig mit den Augen rollend auf dem Boden kniend und mit Mikrofaserschwamm und Seifenwasser Hundekot aus dem Teppich waschen. Das ist der Film, der in meinem Kopf abläuft – und da hab ich einfach keinen Bock drauf. Ich habe also ein Problem, sehe irgendeine mögliche Konsequenz, die mir Missfallen bereitet, und pampe mein Kind an, weil es dies nicht überblickt. Ein Konflikt aus einer »Warum weißt Du nicht, was ich weiß?«-Haltung heraus. Ziemlich mies, oder? Und wenn ich mich dann noch in einem energetisch eher niedrigen Zustand befinde, ist mir die Pampigkeit noch näher.
Was hilft mir?
Um in so einer Situation souveräner zu handeln, hilft es mir, zunächst wahrzunehmen, dass sich hier eine kleine Pampigkeit – vielleicht gepaart mit Ärger? – ihre Bahn bricht. Dann kann ich entscheiden: Muss es jetzt wirklich laut werden, weil eine Gefahrensituation kommt? Oder kann ich mir selbst erlauben, einmal durch zu atmen und mein Problem in normalen Konversationston an zu sprechen? Oder vielleicht wenigstens eine Stufe weniger pampig? Wenn ja, dann gut, Ziel erreicht. Was mir mir gegenüber nämlich ganz wichtig ist: So eine Veränderung darf in kleinsten Schritten voran gehen. Ich bin meistens schon froh, wenn mir mein Verhalten in so einer Situation auffällt und bewusst wird. Das setzt meiner Erfahrung nach schon eine Veränderung in Gange.
Bonus: Später beim Kind ehrlich um Verzeihung bitten, dass man pampig oder unwirsch oder meckerig war, hat mir auch noch nie geschadet!
2. Ich will im Moment öfters meine Ruhe haben, als es in den Familienalltag passt.
Das Familienleben mit größergleich einem Kind kostet Energie und Aufmerksamkeit, die Arbeit ist zehrend – und erwischt einen dann auch noch eine dicke Erkältung und fesselt einen tagelang an die Horizontale und den Teeinfusor, kann man sich glücklich schätzen, wenn man noch irgendwas auf die Beine gestellt bekommt. Und wenn es nur man(n) selbst ist.
Aber das gelingt längst nicht immer. Da passen dann das Wunschselbstbild vom strahlenden, kraftvollen, emotional ausgeglichenen Problemlöseritter mit der Realität der schniefenden, übermüdeten und übellaunigen Sofakartoffel nicht überein. Und was grämt es mich, diese Sofakartoffel zu sein! Diese Unstimmigkeit zwischen Wunsch und Realität ist es, die den Stress so richtig befeuert. So viel bleibt auf der Strecke: Sport, Entspannung, Stressabbau, Freunde, gesunde Ernährung. Das führt doch nur dazu, dass ich mich zurückziehen, alleine sein und vor-mich-hin-mopen möchte. Aber Kinder, Arbeit, Haushalt gehen nicht weg, nur weil man erkältet ist. Und wenn dann erst alle reihum erkältet sind – oh weh! Aber wem erzähle ich das, liebe Lesende, das erlebt sicher jeder von uns regelmäßig.
Was hilft mir?
Und in diesem Gedanken liegt die Kraft! Man ist nicht alleine mit seiner Kraftlosigkeit und man ist vorher auch schon (regelmäßig) durch so eine Situation gegangen! Die meisten kennen das Gefühl, mit leeren Akkus nach einem anstrengend Tag herum zu sitzen und sich irgendwohin, ganz weit weg zu wünschen – und, man glaubt es kaum, das ist okay so! Es gibt Zeiten, da ist man vielleicht krank, alles wird einem zu viel, die Energie ist weg. Dann geht eben auch nix. Punkt.
Dieser Kelch geht an niemandem vorrüber – und es kommen auch wieder bessere Zeiten! Kann man so annehmen, es durchleben und sich danach auf die kommende Zeit freuen. Als Anker dient mir immer die Erinnerung an die letzte, schwierige Phase. Die haben wir doch auch alle gemeistert, oder? Dann kann man überlegen, was ganz konkret gut getan hat (z.B. mehr schlafen, woanders schlafen, mal eben drei Tage nur Nudeln mit Fertigsoße zu essen machen, Hausputz mal eine Woche aussetzten), wie man sich als Eltern die Aufgaben so aufteilen kann, dass der Schwächere vielleicht 30% mehr Zeit zum Ausruhen bekommt – und die Rollen später wieder wechselt. Denn Eltern mit leeren Akkus nützen auch den Kindern nichts.
Es ist ein bisschen Selbstmotivation, man macht sich ein Bild von der Zukunft, wo es wieder rund läuft und holt sich dafür die Ideen aus dem Gedächtnis, die schon einmal gut geklappt haben. In die Knie gehen für den nächsten Sprung. Klappt schon!
3. Ich habe hohe Erwartungen, insbesondere an die Große, weil sie ja jetzt die Große ist.
Seit nun fast einem Jahr haben wir eine neue Kleine und die alte Kleine ist die Große. Und ich habe den Eindruck, dass ich sie das im Moment öfter spüren lasse, als dass es für eine Vierjährige angemessen ist. Wo sehe ich hier das Problem? Das Problem ist väterliche Faulheit. So leicht gewöhne ich mich an Dinge, die gut klappen. Das ist verklausuliert für: Dinge, die mir keine weitere Arbeit machen. Ich freue mich darüber, wenn das große Kind mithilft beim Abendbrottisch decken, sich nach dem Essen selbtständig die Hände wäscht und ihr Spielzeug wegräumt. Aber nur, weil das ab und an mal geklappt hat, darf ich das dann für immer erwarten? Nein, ich denke nicht. Gleiche Kerbe: die Rücksichtnahme des großen Kindes auf die Befindlichkeiten des kleinen Kindes.
Was hilft? Ein Perspektivenwechsel!
„Herrje, Herr Vater, das große Kind gewinnt gerade etwas Zutrauen in seine eigene Selbstregulierungsfähigkeit. Das muss man als Neumensch erstmal lernen! Und das dauert, bitte geben Sie dem kleinen Kind doch noch ein paar Jahre Zeit, bis es sich nicht mehr vollständig an das limbische System seiner ihn umgebenden Mitmenschen anzudocken braucht.“ Ich wünsche mir hier von mir selbst, wieder einen Schritt zurück zu treten und lieber zu genießen, Zeuge einer ganz wunderbaren Entwicklung – dem Aufwachsen – zu sein, anstatt irgendetwas zu erwarten. Nichtmal das Wort »Fehlertoleranz« möchte ich hier anwenden. Wenn ich so darüber nachdenke, erkenne ich keine Fehler, ich erkenne einen Prozess, der geht mal vorwärts, mal rückwärts, mal im Kreis, holt vielleicht etwas Schwung, schlägt mal aus in die eine oder andere Richtung – und macht mir einen großen Berg Freude!
Drei Dinge, die ich als Vater gut mache – und die ich mir bewahren möchte
1. Ich bin mir für kein Spiel zu schade.
Ich galoppiere wiehernd durch Fußgängerzonen, wenn Lorias und Umschaus magische Einhornabenteuer es erfordern. Wenn das Schlafzimmer gerade das Schwimmbad ist, in dem die Durchlauchten Elsa und Arielle umherplanschen und Seegrasball spielen, dann bin ich mit vollem Elan Prinzessin Arielle, hüpfe mit lauten Swooosch!- und Plaaatsch!-Gejohle über den Schlafzimmerfußboden und führe unbeholfene Schwimmbewegungen aus. Auch wenn Gäste da sind. Und wenn gerade angesagt ist, in der Küche den Schrank mit den Töpfen aus- und einzuräumen, dann mach ich eben das. Und es macht mir Spaß, weil ich es mit den Kindern zusammen machen darf. Was ich mir davon verspreche? Zum einen möchte ich mir mein inneres Kind erhalten. Ich empfinde eine ausgesprochene Freude am Rollenspiel und der Freiheit, die Albernheiten heraus zu lassen. (Wie hat es ein befreundeter Papa für sich neulich so schön zusammen gefasst? »Einmal Furzwitzfan, immer Furzwitzfan!«) Zum anderen möchte meinen Kindern zeigen, dass man auch gerne als Erwachsener noch spielen darf. (Und soll.)
2. Ich höre meinen Kindern zu und nehme ernst, was sie sagen.
Aktives Zuhören und dann auch Verstehen, was das Gegenüber einem mitteilen will, kostet Energie – und ich bin gerne bereit, da zu investieren! Auf die Worte achten, die Signale der Körpersprache wahrnehmen, vielleicht wiederholen, was man verstanden hat, mitdenken, mitreden, erklären – sich selbst und den, der gesprochen hat. Nachfragen, wenn man etwas nicht verstanden hat. Das alles geht auch schon mit kleinen Kindern. Die sind ja schließlich auch nur Menschen. Meiner Erfahrung nach ist ein gutes Gespräch die Grundlage für ein gutes Zusammenleben. Man teilt seine Bedürfnisse mit und handelt gemeinsam aus, wie man diesen am besten für alle Beteiligten nachkommen kann. Und das versuche ich mit meinen Kindern zusammen zu leben und an sie weiter zu geben.
3. Ich kann ganz gut trösten.
Hat auch ein bisschen was mit Zuhören zu tun. Es ist meinem Gefühl nach so etwas wie eine Eskalationsstufe, wenn große Emotionen, vielleicht Verunsicherungen, mit im Spiel sind. Dann hilft es bei uns immer, einander in den Arm zu nehmen. Körperliche Nähe, Sicherheit signalisieren, Trost spenden. Gepaart mit einem guten Gespräch kann man auf diese Weise so manchen Knoten im Herzen oder im Kopf auflösen. Meiner Meinung nach ist genau dafür Familie und Wahlfamilie da.
Fazit
Puh, ist das jetzt traurig, dass die Absätze mit den drei Dingen, die gut laufen, viel kürzer sind, als die Dinge, die mir nicht so gefallen? Nein, ich denke nicht. Denn bei den Dingen, die (vermeintlich) schlecht laufen, konnte ich gleich noch reflektieren, wie ich sie vielleicht überwinden oder integrieren kann. Eine kleine Selbstveränderung also, yippi.
Niemand ist perfekt – und wir müssen es auch nicht sein. Schon gar nicht im Umgang mit unseren Kindern. Anfänger sein, Grashüpfer sein, genügt. Wenn einem etwas auffällt, was irgendwie nicht rund läuft, was einen stört, dann hat man immer die Möglichkeit, sich auf den Weg der Veränderung zu machen, das kann immer gelingen. Egal, zu welchem Zeitpunkt man damit startet. Und wenn etwas gut läuft, wenn man zufrieden damit ist, tut es sehr gut, sich das ins Gedächtnis zu rufen und zu genießen. Wie eine Belohnung oder gutes Essen. Denn diese Gedanken machen einen stark für die Zukunft.
Es hat mir sehr gut getan, diese Themen einmal zu durchdenken, und ich hoffe, es hat Euch Spaß gemacht, ein wenig darüber (in Bruchstücken) zu lesen, wie ich meine Rolle als Vater im Moment wahrnehme.
Wie geht es Euch? Was läuft bei Euch als Eltern gut, wo möchtet Ihr Euch verbessern? Traut Euch, Väter, andere Väter sind bestimmt auch neugierig, von Euch zu lernen! Ich freue mich darauf, von Euch zu hören, gerne hier in einem Kommentar unter dem Blog. Ich freue mich auf eine Diskussion, von Euch zu lesen und zu lernen!
Alles Liebe,
Euer Christoph
PS: Jil von vonherzenundbunt hat eine blogparade zu diesem Thema ins Leben gerufen. Viel Spaß beim Weiterlesen und inspiriert werden!