Ich spreche viel mit meinen Kindern. Von morgens bis abends – ohne Pause, versteht sich, wie es mir an manchen Tagen vorkommt. Aber miteinander zu reden ist mir wichtig. Denn Sprache bedeutet für mich mehr, als sich nur auszutauschen. Wenn wir miteinander sprechen, sind wir im Kontakt, gehen in Beziehung zueinander. Wir versuchen zu verstehen, was der andere uns sagen möchte. Und das ist bei einer Einjährigen manchmal mit viel Fantasie verbunden!
Was es uns leichter macht – wir kommunizieren immer auf mehreren Kanälen oder Ebenen miteinander. Auf einer Sachebene beispielsweise, wenn es darum geht, eine Information loszuwerden: »Guck mal, Mama! Was ich gemalt habe!«. Hinter einer Aufforderung wie dieser steckt nicht nur die Information, »Ich habe etwas gemalt!«. Es gibt auch immer eine Beziehungsebene im Austausch – im gesprochenen Wort und auch in dem, was unausgesprochen bleibt. Was wir nonverbal »mitschicken«, ist sogar insbesondere für Kinder viel schneller wahrnehmbar, als das, was wir mit Worten formulieren. Wenn meine Tochter mir beispielsweise zeigt, was sie gerade gezeichnet hat, dann höre ich auch einen gewissen Stolz und eine Zufriedenheit über ihr Tun heraus. Gleichzeitig bittet sie mich unterschwellig, ihr Kunstwerk zu bestaunen und mich mit ihr daran zu freuen.
Wir sind also stets mit unseren Kindern im Austausch. Und selbst wenn wir mal nicht reden – so ist da immer noch ganz viel Kommunikation. Mit Blicken, Gesten und unserer Körperhaltung signalisieren wir für unsere Kinder oftmals sogar viel eindeutiger, was wir gerade möchten oder was wir für nicht so gut befinden, als wir es mit vielen Worten könnten.
Umso mehr merke ich, dass die Art und Weise, wie wir mit unseren Kindern sprechen, Aufmerksamkeit verdient. Denn wenn der Tag lang ist, kommt mir auch mal so mancher Satz über die Lippen, den ich – in Ruhe betrachtet – lieber nicht zu meinem Kind sagen möchte. Weil Worte Wahrheiten schaffen. Weil unsere Worte und vor allem die Botschaft dahinter großen Einfluss auf unsere Kinder haben, oft lange nachwirken und sie prägen.
Ich versuche darum, achtsam meine Worte und die dahinter stehende Botschaft zu wählen. Und so habe ich mich ganz bewusst entschieden, die folgenden drei Sätze bzw. Botschaften nicht mehr zu meinen Kindern zu sagen.
Inhaltsverzeichnis
Diese 3 Sätze sollten unsere Kinder nicht hören
1. »Fall nicht runter!«
Alternativ könnte man hier ein »Sei vorsichtig!« oder auch ein »Lauf nicht so schnell!« einfügen. Das kennen wir alle.
Was ist unsere gute Absicht?
Aber was steht hinter diesen Warnungen? Das kann ich als Mama sehr leicht beantworten: Der große Wunsch, dass unsere Kinder unversehrt bleiben! Wir wollen sie beschützen – so, wie wir sie als Baby stets und immer vor Gefahren behütet haben. Das sagt das Mama-Herz. Die Stimme der Bewegunsgpädagogin in mir sagt: Kinder haben ein recht auf (selbstverursachte) blaue Flecke! Und es stimmt tatsächlich – ich habe es schon so oft bei Kindern, die ich begleiten durfte, beobachtet: Wenn wir ihnen die Kompetenz geben, ihren Körper selbst einzuschätzen, dann trauen sie sich das zu.
Meine Beobachtung ist, dass Kinder, die sich ausprobieren dürfen, sehr genau abschätzen, wie hoch sie wo klettern und ab wann sie von sich aus um eine helfende Hand bitten. Sie können einschätzen, auf welchem Untergrund man wie schnell mit welchen Schuhen laufen kann. Natürlich geht das anfangs mit kleinen oder auch mal größeren Blessuren einher. Grenzen müssen erfahren und dürfen ausgetestet werden. Aber um so schneller kommen die »gelassenen« Kinder sehr viel unfallfreier durchs Leben.
Kinder, die wir nicht durch gut gemeinte Ratschläge ablenken, fallen viel seltener. Denn das ist, was leider durch unsere Warnungen passiert: Erstmal ist das Kind abgelenkt, in seinem Kopf spielt sich die Szene »ich falle« ab und es kann sich weniger gut auf seine eigentliche – ich nenne es mal – Aufgabe konzentrieren. An dieser Stelle wird das Gehirn in seiner Wahrnehmung durch eine selbsterfüllende Prophezeiung beeinflusst.
Wie können wir es anders versuchen?
Das können wir uns ebenso gut zu Nutze machen! Wenn wir also auf dem Spielplatz stehend noch einmal durchgeatmet (vielleicht auch mal kurz weggesehen 🙂 ) haben und immer noch das Gefühl haben, unser Kind könnte etwas achtsamer sein, sind Sätze wie: »Halt Dich gut fest!« oder »Sieh hin, wo Du läufst/kletterst/etc« eine gute Alternative. Anstatt das Kind mit einem bedrohlichen Szenario zusätzlich abzulenken, lenken wir so die Aufmerksamkeit unseres Kindes wieder auf sein Tun!
2. »Das magst Du nicht!«
Für ein Bullshit-Bingo zum Thema Essen würden Kinder möglicherweise hier auch nennen: „Iss doch noch ein bisschen!“, „Aber das magst Du gerne.“ oder auch „Du hast doch jetzt noch keinen Hunger!“. Alles schon gehört und vieles auch schon selber gesagt.
Was ist unsere gute Absicht?
Essen ist ein stets präsentes Thema. Wir alle essen, ganz natürlich. Spätestens, wenn wir hungrig werden, denn unser Körper braucht Nahrung. Essen und Kinder kombiniert wird plötzlich ein häufig kompliziertes Thema. Wir Eltern werden aus vielen Richtungen mit DEN Empfehlungen verunsichert. Eigene Eltern, Freunde, Verwandte, Ratgeber, Internet, oder auch völlig Fremde – alle haben eine Meinung zum Thema „Essen“ – und leider oft einen alleinig seligmachenden Wahrheitsanspruch. Zudem können uns viele Sorgen umtreiben. Manche davon reichen noch zurück bis in die ersten Lebenswochen mit unserem Neugeborenen. Vor allem, wenn der Start ins Leben etwas holperig war. Hinter unseren wohlmeinenden Aussagen steht also z.B. die Sorge, mein Kind könnte nicht satt werden. Oder vielleicht isst es zu viel?! Isst es das Richtige? Es soll ja gesund sein! Das alles zusammen genommen kann verunsichern und uns in unserer Kommunikation mit den Kindern beeinflussen. Und so kann es passieren, dass wir über das Essverhalten unseres Kindes bestimmen und dadurch sein wahres Bedürfnis übergehen.
Wie können wir es anders versuchen?
Ich denke, gerade beim Thema Essen ist mehr Entspannung immer besser! Wir fahren gut damit, wieder dem Kind die Kompetenz in diesem Bereich zu zu gestehen.
Dazu sind zwei Rahmenbedingungen ganz hilfreich. Zum einen sind wir Eltern wichtig, denn wir können gesundes Essverhalten vorleben! Kinder lernen viel mehr von dem, was sie sehen, als von dem, was wir ihnen erzählen. Das können wir nutzen! Essen wir nach Bedarf und eine Vielfalt an – hauptsächlich 😉 – gesunden Lebensmitteln, sind wir unseren Kindern ein gutes Modell.
Zum anderen können wir unterschiedliche, überwiegend gesunde und ansprechende Lebensmittel anbieten.
Meiner Erfahrung nach ist unser Elternpart bei der Nahrungsaufnahme damit fast getan. Fast, natürlich nur 😉
Wir können unserem Kind zutrauen, dass es seinen Körper am besten kennt – besser als wir! Es wird wissen, wann es hungrig ist und wie viel es wovon essen mag.* Das Vertrauen in das – buchstäbliche – Bauchgefühl können wir gerade bei unseren kleinen Kindern erhalten und stärken! Mit Fragen können wir das „Hineinhören“ unterstützen. „Frag mal Deinen Bauch – hat er jetzt Hunger?“ „Möchtest Du noch mehr essen? Ist in Deinem Bauch noch Platz?“ Mit diesen Bildern können schon Zweijährige etwas anfangen und eine Rückmeldung geben.
Dieses Gespür für den eigenen Körper, den eigenen Appetit, das eigene Sättigungsgefühl – das sind sehr gute Voraussetzungen, die wir unserem Kind mitgeben können, um ein gutes Verhältnis zum Thema Essen zu entwickeln. Und das trägt sich hoffentlich durch die Pubertät und bis ins Erwachsenenalter hinein.
Weitere spannende Gedanken kann man sich dann noch um das »Wie« der Nahrungsaufnahme machen. Dazu habe ich hier bereits ein paar Ideen geteilt.
* Es versteht sich, dass dies für gesunde Lebensmittel gilt – bei Süßigkeiten, Fast Food und Co reicht die kindliche Selbstbeherrschung meist noch nicht aus, um damit selber einen angemessenen Umgang zu pflegen. Bei uns Erwachsenen ja leider auch nicht immer 😉
3. »Hab ich Dir doch gleich gesagt!«
Gerne eingeleitet mit »Siehste!« Lässt sich übrigens in jeder Altersgruppe anwenden – da gibt‘s keine Beschränkung aufs Kinderalter 😉
Was ist unsere gute Absicht?
Dahinter steht meiner Beobachtung nach die enge Anteilnahme am Geschehen und Erleben des Kindes und der Wunsch, von der eigenen Lebenserfahrung etwas an die nächste Generation weiterzugeben. Man möchte, dass das Kind gute, angenehme Erlebnisse hat und man ist vielleicht versucht, aus dem eigenen Erfahrungsschatz schöpfend, Ideen und Lösungsansätze vorzugeben, um dann etwas gekränkt zu sein, wenn diese nicht angenommen werden und das Kind lieber eigene Erfahrungen machen möchte.
Und auf der Beziehungsebene schicken wir gleichzeitig mit, dass wir das Bewältigen der Situation oder Aufgabe dem Kind sowieso nicht zugetraut haben. Die Botschaft lautet hier: „Du kannst das noch nicht!“ Was soll das Kind also nun tun? Lieber keinen neuen Versuch wagen? Nichts ausprobieren, was es noch nicht beherrscht? Natürlich nicht! Das wäre ja das Ende von (Weiter-) Entwicklung.
Kinder sind wahre Meister des Ausprobierens. Auch wenn sie etwas noch nicht beherrschen, bei etwas noch unsicher sind – sie wagen sich mutig nach vorne. Das eine Kind stürzt sich ins Abenteuer, das andere tastet sich langsam und mit Bedacht an die neue Erfahrung heran. Aber alle haben eines gemeinsam: Sie sind mutig und probieren sich aus. Zum Ausprobieren gehört es essenziell dazu, an Grenzen zu stoßen. Bei Erwachsenen nennt man das „einen Fehler machen“ oder „scheitern“. Denn auch wir lernen Neues dazu, probieren uns in neuen, beruflichen Aufgaben, in einer neuen Sportart, erlernen ein unbekanntes Hobby.
Wie können wir es anders versuchen?
Was alle Lerner und Erkunder brauchen, um frei und mit allen Sinnen neue Erfahrungen zu machen, ist Zutrauen! Wir vertrauen darauf, dass wir es schaffen können, die neue Sportart zu erlernen. Diese Zuversicht motiviert uns, auch Anstrengungen zu überwinden. Auch Kinder gehen davon aus, dass sie es schaffen können, sich selbst aus der großen Flasche etwas zu trinken einzugießen. Oder eine größere Höhe zu erklettern. Manchmal gelingt es gleich, manchmal braucht es mehrere Versuche. Klappt es nicht auf Anhieb, so lassen sich Kinder davon überhaupt nicht entmutigen. Sie selbst würden diesen Zustand nie als „Scheitern“ bezeichnen oder so bewerten. Nach meiner Erfahrung meldet sich an der Stelle der kleine Forscher im Kind, der feststellt: „So geht es also nicht. Versuche ich einen anderen Weg!“.
Geben wir unseren Kindern also das Zutrauen, was sie selbst in sich fühlen. Unterstützen wir neue Ideen und Herangehensweisen, so werden unsere Kinder sich um so schneller kompetent in der Welt bewegen können.
Wenn ich mich zurück nehme und erstmal in Ruhe schaue, was mein Kind gerade macht oder machen möchte, bin ich oft überrascht, wie gut es sich schon einschätzen kann! So viel gelingt ihm schon alleine und an vielen Stellen kann es um Hilfe bitten, wenn es selbst einschätzt, Unterstützung zu brauchen. Das tun Kinder allerdings nur genau so lange, wie sie nicht für das Erbitten um eine helfende Hand »bloßgestellt« werden – etwa mit einem »Habe ich mir doch gedacht, dass Du das noch nicht kannst!« Wenn ich mich in die Lage meines Kindes hineinversetze, kann ich das gut nachvollziehen. Ich selbst würde mich wohl ziemlich verletzt fühlen, wenn ich meinen Mann um seine Hilfe bitten würde und ich statt eines ehrlich gemeinten »Ja, gerne!« ein »Das kannst Du ja auch noch nicht!« zur Antwort bekäme 😉
Vielleicht gelingt es uns ja sogar, uns von unseren Kindern etwas mitzunehmen – klappt etwas nicht beim ersten Mal, probieren wir es auf einem anderen Weg. Und sind um eine Erfahrung reicher. Diesen Blickwinkel finde ich persönlich irre entspannend – er nimmt mir den Druck, dass alles immer (und am liebsten natürlich sofort) gelingen muss. Darin übe ich mich zumindest immer wieder und habe zwei mutige Vorbilder zu Hause, denen ich sehr dankbar bin!
Traut ihr euch und erzählt mir eure Sätze, die ihr euren Kinder gegenüber nicht mehr sagen möchtet?
Ich freue mich von euch zu lesen!
Eure Katja
Ooooh ja, da haste total Recht! Ich bekenne mich schuldig in allen drei genannten Punkten ;o)
Du hast das schön geschrieben und die Anregungen zum „besser machen“ finde ich super! Danke dir!
Hihihi, schön zu hören, dass es mir nicht alleine so geht 🙂
Danke für deine lieben Worte, Sandy ❤️