Zu Tisch, bitte! Wie wir den Grundstein für entspanntes Essen mit (Klein-) Kindern legen

Bei uns am Abendbrottisch. Wir essen zu viert. Eine sehr gemütliche Mahlzeit in entspannter Atmosphäre. Der Mann hat Pizza gebacken, die Tochter dafür mit mir die Zucchini aus dem Garten geerntet und dann gewürfelt. Schon mal ein guter Start für ein schönes Essen.

Es läuft jedenfalls entspannter, als ich mir jemals ein Abendessen mit Kind und selbstessendem Baby an einem Tisch ausgemalt habe. Zwar könnte ich ein bis zwei Arme mehr gut gebrauchen, denn auf meinem Schoß sitzt das Baby. Also heißt es zwischendurch immer mal wieder die Gabel außer Reichweite bringen oder einen Happen vorm Herunterfallen retten.

Der Mann und ich sind satt, die Große ist auch schon fertig, das Baby-Mädchen lutscht immer noch genüsslich an ihrem Pizzarand und probiert zwischendurch ein Stück weiche Zucchini. So sieht Genuss aus. Nicht-Eltern würden den Tisch (samt Fußboden) wohl eher als chaotisches Massaker bezeichnen.

Und während ich unserer jüngsten Tochter beim Essen und Genießen zusehe, bin ich sehr zufrieden. Ich bin dankbar, dass sie unbeschwert und ohne Einschränkungen essen kann. Und ich bin glücklich darüber, dass wir scheinbar schon bei Motte einen guten Grundstein im Umgang mit dem Thema Essen gelegt haben.
Zeit, einmal zu resümieren, wie Essen und Kinder bei uns so zusammen fanden.

Inhaltsverzeichnis

Aller (Nahrungs-) Anfang ist schwer?!

Wir als Eltern haben von unseren Stillkindern unglaublich viel gelernt. Als Eltern-Neuling ist man ja per se unsicher – isst das Kind genug? Bekommt es auch oft genug Nahrung? Oder gar zu häufig? Und wer noch nicht verunsichert genug ist, dem helfen sicher die ein oder anderen gut gemeinten Ratschläge.

Die Kinder zeigen genau, was sie brauchen

Zum Glück haben (gesunde) Kinder ein angeborenes Hunger- und auch Sättigungsgefühl. Und sowohl ihr Bedürfnis nach Nahrung wie auch ihr Sattsein können sie bereits als Neugeborene deutlich äußern. Unsere Aufgabe ist es dann lediglich, auf ihre Signale zu achten und diesen auch nachzugehen. Einen Säugling hungern lassen werden die wenigsten. Die Vehemenz in der Botschaft: „Ich brauche etwas zu essen! Und zwar sofort!“ nehmen Eltern heutzutage glücklicherweise sehr ernst. Und wenn das Baby sich gesättigt von Brust oder Flasche löst, ist es sehr achtsam mit sich und weiß: „Jetzt habe ich genug. Mehr brauche ich gerade nicht.“ Auf diese Kompetenz der Kinder dürfen wir vertrauen und möchten sie in ihrem eigenen Körpergefühl verstärken.
Beim Stillen gesteht man den Kindern meiner Erfahrung nach am ehesten zu, selbst entscheiden zu können, wie viel Nahrung sie brauchen. Mit „man“ sind übrigens meist gar nicht die Eltern gemeint, häufiger das eigentlich wohlmeinende Umfeld.

Eltern sind auf sich allein gestellt

Nach einigen Wochen hat man einigermaßen raus, wie man sein Kind satt bekommt. Doch dann fällt die unterstützende Begleitung durch Hebamme und/oder Stillberaterin plötzlich weg. Eltern stehen etwas allein auf weiter Flur der Nahrungsumstellung. Oftmals können wir dann nur auf unsere eigenen Erfahrungen mit dem Essen-Lernen zurückgreifen. Allerdings ist der Großteil der heutigen Elterngeneration sehr viel weniger achtsam an Nahrungsmittel herangeführt worden. Und die Haltung, dass das Kind am besten selbst entscheidet, wann es satt ist und nicht der gefüllte Teller das Hungergefühl vorschreibt, war zu unserer Kindheit leider noch nicht überall verbreitet.
Zudem kann die Vielzahl an Möglichkeiten verunsichern. Sollen wir das „Kindermüsli“ kaufen? Gibt es die Mahlzeiten für das Baby als Brei oder probieren wir „baby-led weaning“ aus?

Beikost – alles anders?

Ich erlebe in Beratungssituationen mit Familien häufig, dass Eltern das Gefühl gegeben wird, sie müssten doch die Kontrolle über ihre Kinder haben und dies auch (oder vor allem) beim Thema Essen. Wie viel Milch hat er getrunken? Hat sie auch 150g Gemüsebrei gegessen? Diese Erwartungen machen Eltern Stress – und diesen spüren auch die Kinder.
Führen wir uns vor Augen, was beim Stillen bzw. bei der Milchnahrung gut geklappt hat, klopfen uns dafür auf die Schulter – und übertragen die Erkenntnisse auf feste Nahrung.
Entspannen wir uns also in der Essensfrage. Insbesondere, wenn unsere Kinder Interesse an fester Nahrung entwickeln und mit der Beikost starten. Hören wir auch hier auf unser elterliches Bauchgefühl: jedes Baby (wie auch jedes Kind) weiß am besten, was es essen mag und wie viel es gerade braucht. Das gilt mit folgender Einschränkung: Die Voraussetzung für das Kind ist, dass es eine Auswahl an gesunden Lebensmitteln hat. Die Gummibärchen und die Schokolade würde ich hier nicht gleichberechtigt mit in den Ring werfen.

Wie schaffen wir eine angenehme Atmosphäre beim Essen?

Uns ist eine entspannte Atmosphäre am Esstisch sehr wichtig. Darum findet sich dort – je nach Jahreszeit – auch immer ein Blümchen oder eine Kerze. Das sagt: Hier machen wir es uns schön. Hier ist eine kleine Ruheinsel, eine Auszeit vom Tag. Hier gibt es keine Zwänge. Hier soll sich jeder wohlfühlen.

Keine Machtkämpfe beim Essen

Dazu gehört auch, dass es bei uns keine Machtkämpfe rund ums Thema Essen gibt. Unsere Kinder hören weder Sätze wie: „Du kannst doch jetzt noch keinen Hunger haben!“, noch: „Das wird aber jetzt gegessen. Doch, das schmeckt lecker!“
Nahrung aufzunehmen ist ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen. Hungrig zu sein bedeutet also, ein existentielles Bedürfnis wahrzunehmen. Das kann ausschließlich die betreffende Person selbst verspüren und braucht nicht von mir als Mutter beurteilt zu werden. Was für eine Erleichterung, wie ich finde!
Übergehen wir regelmäßig das Hunger- oder Sättigungsgefühl unserer Kinder, dann wird es ihnen schwer fallen, auf die Signale ihres Körpers zu hören und ihnen zu vertrauen. Denn wir als Bezugspersonen vermitteln ihnen in dem Moment: Dein Körpergefühl stimmt nicht!
Auch aus psychologischem Blickwinkel betrachtet tun wir unseren Kindern viel Gutes, indem wir sie bestärken, auf sich und ihren Körper zu vertrauen. Dieses Vertrauen wird sich nach und nach in ihnen verankern und ihr Selbstbewusstsein unterstützen.

Anbieten und Beteiligen

Dass wir unseren Kindern keine Lebensmittel „aufzwingen“ oder „anreden“ heißt nicht, dass wir nicht eine Vielfalt anbieten. Wir animieren die Kinder, Neues und Unbekanntes auszuprobieren.
Allerdings klappt das meiner Erfahrung nach nicht durch eine Aufforderung, die schlimmstenfalls noch eine Drohung beinhaltet („Sonst brauchst Du an Nachtisch gar nicht erst zu denken!“).
Vielmehr funktioniert bei uns gut, eine Auswahl anzubieten. Statt nur der Paprika gibt es zusätzlich Gurkenscheiben und eine kleine Tomate. Der Geschmack darf und soll sich entwickeln und je mehr Vielfalt desto besser. Und nicht zuletzt können wir unsere Vorbildfunktion nutzen. Wenn auch wir mitprobieren, kann man sich gemeinsam an einen neuen Geschmack herantasten.
Werden die Kinder größer, haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, sie zu beteiligen. Sie sehen beim Einkaufen die Lebensmittel, wählen Gemüse und Obst mit aus. Die Große ist eingeladen, wenn sie mag, Essen mit zuzubereiten. Stolz und auch achtsam hantiert sie dann mit ihrem Messer, wählt ein Schneidebrett und schätzt beachtenswert gut ein, wie klein sie die Äpfel oder die Zucchini schneiden kann. Meine Lernaufgabe dabei war zugegebenermaßen, eine ruhige Atmosphäre zu verbreiten und keine Unsicherheiten auf mein Kind zu projizieren. Anfangs musste ich mir so manches „Vorsichtig!“ verkneifen. Hätte diese Warnung doch nur dazu geführt, dass Motte sich nicht gut konzentrieren kann und ihr dadurch wahrscheinlich viel eher eine Unachtsamkeit passiert wäre. Zum Glück konnte ich beobachten, wie kompetent mein großes Kind sich und seine Fähigkeiten einschätzt, wenn ich es lasse – da hat es mir leicht gemacht, zu vertrauen. Anfangs muss man sich allerdings von akkurat gewürfelten und gleichseitigen Gemüsestücken verabschieden. Wieder so eine Lernaufgabe…

Zum Schluss…:

Es soll hier nicht darum gehen, die Vorzüge und Nachteile irgendeiner Ernährung (Stillen, Fläschchen, Brei, feste Beikost) der Kinder zu bewerten, sondern den Blick darauf lenken, dass Kinder ein gut ausgeprägtes, eigenes Sättigungsgefühl haben. Ich denke, dass wir dieses den Kindern nicht aberziehen sollten. Es ist vielmehr unsere Aufgabe, ihnen dabei helfen, es zu spüren und zu verankern.
•    Wir als Eltern können lernen, die Signale unserer Kinder von Hunger- oder Sättigungsgefühl zu erkennen und ihnen zu folgen, statt darüber hinweg zu gehen. So unterstützen wir ein gutes Körpergefühl und legen den Grundstein für zufriedene Kinder, die sich selbst vertrauen können.
•    Auch auf die Beziehung zu unseren Kindern hat diese Entspannung beim Thema Essen Einfluss: Auf die kindlichen Signale zu achten und einzugehen bedarf einer guten Bindung zwischen Kindern und Eltern und hilft, unnötige Machtkämpfe zu vermeiden. Was wiederum die gegenseitige Beziehung verbessert. Win-Win also!
•    Dies ist also keine Anleitung: Wie lernt mein Kind, all das zu mögen bzw. zu essen, was ich gerne esse? Geschmäcker sind (zum Glück) verschieden. Selbst gerne zu essen und den Genuss zusammen mit dem Kind zu entdecken macht nicht nur Spaß, sondern wird dem Kind einen natürlichen Zugang zum Essen ermöglichen.
•    Bieten wir eine Auswahl an (gesundem) Essen an, so wird das Kind sich intuitiv das nehmen, was es gerade mag und braucht.
•    Es gibt Kinder, die probieren gerne jeden Tag neue, andere Lebensmittel und es gibt Kinder, die brauchen es vertrauter. Für sie ist ein guter Start in den Tag, wenn es als bekanntes Ritual morgens immer den einen Frischkäse auf Brot und dazu ein Apfelschnitz gibt. Und beides ist OK!

Seien wir also neugierig, was unsere Kinder gerne mögen und entdecken wir mit ihnen zusammen die leckere Welt des Essens!

Ich bin gespannt, was bei euch gerne gegessen wird und welche Beikost-Erfahrungen ihr gemacht habt!

  eure Katja

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Julia

… ich sehe das genauso. Bei uns gab es in der Beikost Phase Brei, aber auch BLW-Rezepte. Mit ihren 15 Monaten isst meine Kleine jetzt fast alles, mal lieber, dann wieder weniger. Wichtig ist mir, dass sie mit Genuss bei der Sache is(s)t, auch wenn es hinterher wie am Schlachtfeld aussieht. Das sehe ich sehr locker… und koche weiterhin mit Leidenschaft für meine kleine Mitesserin. Lachs und Erdbeermarmelade mag sie übrigens derzeit am liebsten.

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