Mit Ruhe, Beobachtung und Nähe zur Selbstveränderung – Teil 3/3

Heute liste ich noch einmal auf, welchen Fahrplan ich ungefähr im Kopf habe, wenn ich einen kompetenten Selbstveränderungsprozess bei meiner großen Tochter begleite. Ich habe damit bisher ganz gute Erfahrungen gemacht. Unter dem Post findet ihr das Ganze auch nochmal übersichtlich auf einer DIN A4 Seite als pdf. Diese Liste ist zum Lesen, Inspiriert-Werden, Ausdrucken oder Vergessen, ganz nach Geschmack. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll als Denkanstoß, Anregung oder Spickzettel dienen. Vielleicht ist ja etwas für Euch dabei!

Zum Nachlesen findet Ihr die Links zu Teil eins, der beobachteten Veränderungssituation, hier und zu Teil zwei, der etwas ausführlicheren Beschreibung der Verhaltensweisen von Elt und Kind, hier.

Die allgemeine Leitidee lautet grob gesagt: Fragen stellen, positive Signale der Sicherheit und des Verständnisses senden, eigene Bewertungen zurückstellen und eventuell etwas zusammenfassen, was gesagt wurde. Immer wieder Nähe anbieten und darauf vertrauen, dass das Kind seine eigene Gefühlswelt am besten kennt.

Inhaltsverzeichnis

Mögliche Voraussetzungen für einen Veränderungsprozess – der Einstieg

Man befindet sich in einem signifikant stärkeren emotionalen Zustand. Fühlt man nichts Besonderes, ist es einem irgendwie egal, gibt es auch keinen Veränderungsprozess. Das gilt für Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Sinneseindrücke können so einen Zustand hervorrufen.

Wie erkenne ich einen emotionalen Zustand, der einen Veränderungsprozess in Gang setzen kann?

Durch die Beobachtung von unwillkürlichen, also nicht willentlich steuerbaren, körperlichen Signalen des Gegenübers. Einige Beispiele sind: ein feuchter Glanz in den Augen, weite Augen, weite Pupillen, rosige Haut. Oder auch ein plötzliches Ändern von Gestik und Mimik, plötzliches sehr ruhig – oder auch sehr aufgedreht werden.

Was tue ich, wenn ich solch einen emotionalen Zustand beobachtet habe?

Offenheit signalisieren, auf Augenhöhe gehen (gerne wörtlich), Blickkontakt halten, zuhören. Durch Fragen herausfinden, was gerade im Kopf des Kindes vorgeht: »Was denkst Du? Was fühlst Du? Ich habe das Gefühl, dich beschäftigt gerade etwas – was ist denn los?« Evtl. das Gesagte des Kindes wiederholen, mit eigenen Worten oder mit den Worten des Kindes, das Beobachtete spiegeln.

Was hilft dem Kind weiter?

Heraushören, worum es geht, was das Kind verändern möchte. Sicherheit signalisieren, dass das Kind frei denken und erklären darf. Falls es wirklich um ein »moralisches« Thema geht, klar stellen, dass von diesem vertrauten Gespräch keine Strafen zu erwarten sind, z.B.: »Aha, was ist denn passiert? Du kannst es mir ruhig erzählen, ich will es verstehen.« Der Blick ist hier auf das Handeln des Kindes gerichtet und nicht auf das Kind in seiner Person. Unpassende Formulierungen wären: »Das ist aber gar nicht lieb von dir! Du bist ein böses/unfreundliches/eifersüchtiges … Kind!« Negative Zuschreibungen in »Du bist…«-Form sind nicht angebracht, weil man sich solche gerne zu Herzen nimmt und verinnerlicht. »Das war aber unfreundliches Verhalten!«, passt dagegen besser, weil das Verhalten kritisiert wird, nicht die Person des Kindes. Oder: »Mir gefällt nicht, dass du … gemacht hast. Aber ich freue mich, dass du es mir erzählt hast. Du bist sehr mutig! Ich bin stolz auf dich!«

Wie wird eine Lösungsstrategie gefunden?

Das Kind nach einer eigenen Lösung fragen. Bevor man selbst eine Lösung in das Gespräch hineingibt, vielleicht heraushören, ob das gewünscht ist, z.B. »Möchtest Du wissen, wie ich das gemacht hätte?«
Meistens kann man ganz gut auf die Selbstkompetenz des Kindes vertrauen. Wenn es in einer Situation nicht weiter weiß, wird es meiner Erfahrung nach genau das sagen und um Rat bitten.

Und zum Abschluss…

Ganz wichtig, immer das Kind das Gespräch beenden lassen! Es zeigt sich wahrscheinlich von seiner verletzlichen Seite und sollte deswegen selbst bestimmen dürfen, wann das Thema beendet ist. Zudem wird das Kind am besten erspüren können, wie lange es aufnahmefähig ist und wann eine Pause angesagt ist. Nähe und ggf. Trost anbieten.

Dieser Fahrplan ist in folgendem Schaubild noch einmal sehr vereinfacht dargestellt.

handout-selbstveränderung-bei-kindern

Vom Einstieg aus landet man auf den Feldern »Zuhören« und »Nähe anbieten«. Für das Gespräch, die Abfolge der blauen Felder, habe ich mit Absicht keine Pfeile in das Bild gezeichnet, da sowieso wild und chaotisch hin und her gesprungen wird. Am Ende gibt es dann – über das Feld »Nähe anbieten« – wieder den Ausstieg aus dem Gespräch.

Als Übersicht gibt es nun hier den Spickzettel zum runterladen: handout-veraenderung.pdf (641 Downloads )

Vielen Dank, dass Ihr es bis hierher geschafft habt. Ich hoffe, ihr habt eine Vorstellung gewonnen, wie wir das bei uns so handhaben, wenn wir merken, dass sich das große Kind Gedanken gemacht hat und vielleicht was ändern möchte. Wichtig ist mir, nochmal zu betonen, dass das alles spielerisch von statten geht – und meistens auch nicht so bilderbuchmäßig, wie in diesem Falle. Hat sich einfach angeboten, darüber zu berichten!

Ich freue mich, von Euren Erfahrungen zu hören,

    Viele Grüße, Euer Christoph

EDIT: Hier nochmal alle Links: Teil 1, Teil 2 und Teil 3.

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